14. November 2008

Nach ICE-Unfall - Behörde kritisiert massive Versäumnisse der Bahn













Die Deutsche Bahn hat offenbar nicht nur bei den ICE-Achsen, sondern auch bei Unfällen auf der Schnellzugstrecke Hannover-Würzburg ein massives Sicherheitsproblem.

Zu diesem Schluss kommt eine Analyse des Regierungspräsidiums Hessen über den Zusammenstoß eines ICE mit einer Schafherde Ende April in einem Tunnel bei Fulda, die dem Tagesspiegel vorliegt. "Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sind bedenklich", urteilte Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU) in einem Schreiben an Bahn-Chef Hartmut Mehdorn, das der Zeitung ebenfalls vorliegt. Er bittet, die Sicherheitsvorkehrungen "zu überdenken". Bei dem Unfall waren 19 Menschen zum Teil schwer verletzt worden, nachdem eine Schafherde unter noch ungeklärten Umständen in den Tunnel gelaufen war.

Der Bericht listet eine Reihe von schweren Mängeln bei der Bahn auf, sowohl bei der Sicherheit an der Infrastruktur als auch beim Rettungseinsatz nach der "Beinahe-Katastrophe", wie es heißt. "Zwingend erforderliche technische Ausstattungen, die heute Stand der Technik sind und bei allen Verkehrsprojekten eingebaut werden, fehlen auf der Strecke." So habe ein Kamerasystem gefehlt, das ähnlich wie in Straßentunneln den Betrieb überwacht und vor den Schafen hätte warnen können. Mit einem solchen System "wäre der Unfall wahrscheinlich vermeidbar gewesen", heißt es in der Studie. Auch ein Zaun fehlte an der Unfallstelle. "Der Gleiskörper konnte an dieser gefährlichen Stelle ungehindert durch die Tiere betreten werden."

Mit dem Rettungseinsatz habe die Bahn große Probleme gehabt. So habe nach der Kollision die Notfallzentrale im Konzern Informationen an die Feuerwehr "nicht oder nur unzureichend" weitergegeben. Zunächst sei sogar "eine falsche Kilometerangabe" übermittelt worden. Die Spezial-Rettungszüge für Tunnel-Unfälle seien danach "nicht unverzüglich alarmiert und entsandt" worden. Ein Lokführer dieser Züge sei nach Aussagen der Feuerwehr überdies "nicht nüchtern" gewesen, ein anderer habe erst die Gebrauchsanweisung des Zuges lesen müssen, bevor er in den Tunnel habe einfahren können. Dies habe zu "erheblichen Verzögerungen" geführt, heißt es weiter. Ohnehin hätten diese Züge "lange Anfahrzeiten", zudem stünde etwa der Rettungszug Kassel "regelmäßig für mehrere Monate am Standort nicht zur Verfügung".

Insgesamt sei die Informationspolitik der Bahn "als mangelhaft zu bezeichnen". Die örtliche Feuerwehr konnte der Studie zufolge zuvor an der Unfallstelle nicht eingreifen. Zum einen habe sie den Strom der Oberleitung nicht abstellen können, da an der Strecke Hannover-Würzburg entsprechende Schalter fehlten. Zum anderen fehle es den Einsatzkräften an Ausrüstung, um bei Tunnel-Unfällen helfen zu können. Auch gebe es in den Tunneln keine Versorgung mit Löschwasser, und der Vorrat in den Rettungszügen sei "nicht ausreichend".

Quelle: Tagesspiegel

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